Lärmsorgen

Motorrad

Weniger Räder, nicht weniger Lärm

Strassenverkehrslärm belästigt und macht krank. Während enorme Beträge in Lärmschutzmassnahmen investiert werden, ist die Motorradindustrie kaum motiviert, einen Beitrag zum Lärmschutz zu leisten, viele der neuzeitlichen Strassenritter auch nicht wirklich.

Volles Rohr am Pass. "Was dem einen Lärm, hört der and're gärn."
(Quelle: pixabay.com, YAMAYEE)

Im Fall des Motorradlärms prallen zwei Welten aufeinander: hier die begeisterten Biker, denen Sound und Vibrationen ihrer Maschine Gänsehaut verursacht, dort die lärmgepeinigten Bürger, die ihren Feierabend oder das Wochenende in aller Ruhe verbringen möchten.
Motorräder dürfen gegenüber Personenwagen markant lauter unterwegs sein. Analog zu Autos gelten ab Januar 2016 zwar auch für Motorräder schärfere Bestimmungen, aber auch hier sind nur neu zugelassene Modelle betroffen.

Situation

Dezibel (dB) und Geräuschemissionen von Motos
Ein vorbeifahrendes Motorrad mit 83 dB ist so laut wie zwei gleichzeitig mit 80 dB vorbeifahrende Maschinen.
Emissionsgrenzwerte: Motorräder gleichen Lastwagen

Die in der Schweiz Anwendung findende EU-Richtlinie 97/24 sieht hubraumabhängige Grenzwerte für den Geräuschpegel von Motorrädern vor. So gelten für einen Hubraum von 80 Kubikzentimetern oder weniger 75 dB, für einen Hubraum von 80 bis und mit 175 Kubikzentimeter 77 dB und für Maschinen ab 175 Kubikzentimeter 80 dB. Im Vergleich zu Personenwagen (75 dB für neu zugelassene Modelle ab 2016) ist der für Motorräder maximal zulässige Grenzwert mit 80 dB um 5 dB höher, was nahe an den Grenzwert für die schwersten Lastwagen herankommt (82 dB).

Messverfahren: Softwaregestützt über den Tisch gezogen

An einem Sommertag im Juli 2012 führte die Kantonspolizei Zürich eine Lärmkontrolle durch, bei der fünf Motorräder mit zu hohem Geräuschpegel auffielen. Diese Maschinen überschritten den Grenzwert von 80 dB deutlich, in einem Fall entsprach der gemessene Wert einer Lautstärke von 24 gleichzeitig vonbeifahrenden Maschinen mit dem maximal zulässigen Pegel. Der Polizei fehlte jedoch die Rechtsgrundlage, etwas gegen die zu lauten Motorräder zu unternehmen, da sie alle typenkonforme Ausrüstungen aufwiesen. Wie kann das sein?
Analog zu den Personenwagen erfordert die Zulassung von Motorrädern ein normiertes Messverfahren zur Prüfung der Geräuschemissionen. Dabei fährt der Lenker mit 50 km/h in die Teststrecke ein und beschleunigt dann maximal. Nach zehn Metern Fahrt wird der Pegel gemessen, dieser darf für die potentesten Zweiräder 80 dB nicht überschreiten.
Die Fernsehsendung Kassensturz des Schweizer Fernsehens zeigte 2015 eindrücklich, dass die Hersteller softwaregesteuerte Auspuffklappensysteme einbauen, welche mittels Testzykluserkennung bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h aktiviert werden, in einen "Prüfmodus" schalten und den Geräuschpegel mittels einer Drosselklappe in den legalen Bereich herabsetzen. Zurück im normalen Strassenverkehr verwandelt sich das regelkonforme Zweirad wieder in ein dröhnendes Vehikel.

Auspuffklappensysteme: Ende der legalen Trickserei

Seit Januar 2016 sind Auspuffklappensysteme verboten, welche die Geräuschemissionen beim Messverfahren künstlich reduzieren. Das Verbot betrifft jedoch wie bei den Personenwagen nur neu zugelassene Modelle. Fabrikneue Maschinen früher zugelassener Modelle dürfen immer noch legal mit zu hoher Lautstärke durch die Landschaft kurven. Das Problem des Motorradlärms wird sich also nicht auf einen Schlag, sondern nur tröpfchenweise durch Erneuerung des Fahrzeugbestands entschärfen.

Gesetz: Unnötiger Lärm strafbar

Der Artikel 33 der Verkehrsregelnverodnung besagt, dass Fahrzeugführer, Mitfahrende und Hilfspersonen, namentlich in Wohn- und Erholungsgebieten und nachts, keinen vermeidbaren Lärm erzeugen dürfen. Dazu gehören unter anderem hohe Drehzahlen des Motors im Leerlauf, zu schnelles Beschleunigen, das Fahren in niederen Gängen oder fortgesetztes unnötiges Herumfahren in Ortschaften.
Verzeigungen wegen Verursachens von unnötigem Lärm sind vor Gericht jedoch schwierig durchzusetzen, da seitens der Anklage der Tatbestand eindeutig bewiesen werden muss und deshalb oftmals der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" angewendet wird.


Zuständigkeit

Für Lärm ausgehend von im Verkehr rollenden Motorrädern und damit die Einhaltung der entsprechenden Emissionsgrenzwerte (Art. 8 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 177 Abs. 1 und Anhang 6 Ziff. 11 & 37 VTS i.V.m. EU-Verordnung Nr. 540/2014 sowie UNECE-Regelement Nr. 51 oder 59) ist die jeweilige kantonale Fachstelle (Strassenverkehrsämter: Art. 13 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 29 Abs. 1 VTS i.V.m. Art. 71 ff. VZV) und in grossen Städten die entsprechende städtische Amtsstelle zuständig.

Strassenverkehrsämter der Schweiz

Lärmschutzfachstellen


Für Modifikationen und die Zulassung serienmässig hergestellter Motorfahrzeuge (Typengenehmigung) ist die Abteilung Fahrzeugtypisierung des Bundesamts für Strassen ASTRA zuständig (Art. 12 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 2 VTS i.V.m. Art. 5 TGV).

Bundesamt für Strassen (ASTRA): Homologation von Fahrzeugen (Zulassung)


Für akute Lärmbelästigung durch verfehltes Fahrverhalten ist die Polizei zuständig (Tel. 117).


Rechtsprechung

Gesetzliche Grundlagen
Bundes- und Verwaltungsgerichtsentscheide

In der Rubrik «Recht & Gesetz» ist eine Sammlung mit Bundes- und Verwaltungsgerichtsentscheiden zu verschiedenen Lärmarten zu finden. Die Liste wird laufend aktualisiert.

Strassenlärm


Weiteres

Bund
Verbände und Organisationen
Medien