Lärmsorgen

Auto

Leise Autos: Utopie oder nahe Realität?

Motorensound ist sexy. Oder nicht? Es gibt wenige Arten von Lärm, deren Akzeptanz die Gesellschaft mehr spaltet als die Geräusche PS-starker Motoren. Was für die einen wie das Schnurren einer Katze klingt, ist für die anderen der blanke Horror.

Bald nur noch als Modelle erhältlich? Laute Supersportwagen im Schaufenster eines Zürcher Spielwarengeschäfts.
(Quelle: Fachstelle Lärmschutz Kanton ZH)

Lautes Dröhnen und grosse Leistung gelten bei einem Teil der Bevölkerung noch immer als Status- und Machtsymbol. Für Geräuschemissionen von Personenfahrzeugen gelten Grenzwerte, die bis 2026 EU-einheitlich stufenweise gesenkt werden sollen. Zudem sind Bauteile, die einzig und allein dem Zweck der Geräuschverstärkung dienen, seit 2016 verboten. Diese Änderungen betreffen jedoch nur neue Fahrzeugmodelle.
Auch beim standardisierten Lärmmessverfahren scheinen die Autohersteller, ähnlich wie bei den Abgaskontrollen, zu tricksen.
Letztlich entscheidend ist natürlich immer das Verhalten. Den Krach macht nicht die Maschine, sondern ihr Käufer und Fahrer.


Situation

Dezibel (dB) und Geräuschemissionen von Autos

Eine Geräuschreduktion von nur wenigen dB hat schon einen hörbaren Effekt, und ein Auto mit einem Geräuschpegel von 75 dB wird als ebenso laut empfunden wie zehn gleichzeitig vorbeifahrende Autos mit je einem Wert von 67 dB.

Emissionsgrenzwerte: Unaufgeregte Besserung
Die von der Schweiz übernommene Verordnung 540/2014 der EU ist seit Sommer 2016 in Kraft und sieht einheitliche Grenzwerte für die Geräuschemission von Motorfahrzeugen vor. Diese sind abhängig vom Verhältnis zwischen Leistung und Gewicht. Sie variieren für die Klasse M1 (Personenwagen mit höchstens acht Sitzplätzen ausser dem Fahrersitz) von höchstens 72 dB für ein Leistung/Masse-Verhältnis von 120 kW/1'000 kg bis höchstens 75 dB für leistungsstarke Sportwagen (> 200 kW/1'000 kg). Diese Werte sollen bis 2026 schrittweise auf höchstens 68 beziehungsweise 72 dB gesenkt werden.
Diese Verschärfung gilt jedoch nur für zukünftige Automodelle. Fahrzeuge aktueller Modelle, deren Emissionen über den neuen Grenzwerten liegen, dürfen noch bis ins Jahr 2022 in die Schweiz importiert werden.
Messverfahren: Schlupflöcher für Schlaumeier

Das standardisierte Messverfahren der EU, welches auch in der Schweiz angewendet wird, sieht vor, dass das zu testende Fahrzeug mit 50 km/h in eine Messstrecke einfährt und dann voll beschleunigt wird. Nach zehn Metern Fahrt wird der Geräuschpegel gemessen, dieser muss die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte einhalten. Das Konsumentenmagazin "Kassensturz" stellte Ende 2015 jedoch fest, dass die Hersteller ihre Fahrzeuge speziell für die Ansprüche dieses Messverfahrens leiser machen. So zeigte sich, dass sich die gemessene Lautstärke verdoppelte bis vervierfachte, wenn die Fahrzeuge nur drei bis sechs km/h schneller in die Teststrecke einfuhren! Eine ähnliche skandalöse Herstellerpraxis wurde auch beim Schadstoffausstoss festgestellt.

Auspuffklappensysteme: Zögerliches Verbot

Seit 2016 sind Auspuffklappensysteme verboten, die einzig und allein der Erhöhung der Schallemission dienen. Diese Systeme werden von den Herstellern oft als "Sportmodus" deklariert, bei dessen Aktivierung Klappen im Auspuffsystem öffnen und den Motorenlärm ungedämpft freigeben, um das Fahrzeug beim Gasgeben deutlich "hörbarer" zu machen.
Das Verbot gilt jedoch - analog zu den neuen Emissionsgrenzwerten - nur für neue Fahrzeugtypen, nicht aber für solche, die vor Inkrafttreten des Verbots zugelassen worden sind. In Neuwagen älterer Fahrzeugmodelle dürfen Auspuffklappensysteme noch bis 2022 eingebaut werden.

Gesetz: Unnötiger Lärm strafbar

Schon Art. 42 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR 741.01) verpflichtet den Fahrzeugführer, jede vermeidbare Belästigung von Strassenbenützern und Anwohnern u. A. durch Lärm zu unterlassen. Art. 33 der Verkehrsregelverodnung (VRV; SR 741.11) stellt dementsprechend die Regel auf, dass Fahrzeugführer, Mitfahrende und Hilfspersonen, namentlich in Wohn- und Erholungsgebieten und nachts, keinen vermeidbaren Lärm erzeugen dürfen. Dazu gehören u. A. andauerndes, unsachgemässes Benützen des Anlassers und unnötiges Vorwärmen sowie Laufenlassen des Motors stillstehender Fahrzeuge (lit. a), hohe Motordrehzahlen im Leerlauf oder beim Fahren in niedrigen Gängen (lit. b), zu schnelles Beschleunigen (lit. c), forgesetztes unnötiges Herumfahren in Ortschaften (lit. d), zu schnelles Fahren [z. B. scheppernde Ladung, Kurvenfahren mit Reifenquietschen] (lit. e), unsorgfältiges Be- und Entladen oder lärmerzeugende Ladungen ohne Befestigung oder Zwischenlagen (lit. f), «Tür schletze» (lit. g), Störung durch Radios oder andere Tonwiedergabegeräte im Auto (lit. h). Die Aufzählung der VRV ist nicht abschliessend.
Als Strafe kommt Busse bis zu CHF 10'000.00 in Betracht (Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 33 VRV i. V. m. Art. 106 Abs. 1 StGB), und sofern das Ordnungsbussenverfahren angewendet werden kann, beträgt die Busse für Vorwärmen oder Laufenlassen des Motors CHF 60.00 (Art. 1 Abs. 1 OBG i.V.m. Art. 1 und Anhang 1 Ziff. 326 OBV).
Die Ursache von unzulässigem Motorfahrzeuglärm kann zudem für sich alleine bereits gegen andere (grundlegendere) Strassenverkehrsvorschriften verstossen, so dass nebst Busse (Art. 90 Abs. 1 oder Art. 93 SVG) auch Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe möglich sind (Art. 90 Abs. 2 oder Art. 93 Abs. 1 Satz 1 SVG).
Die Stadtpolizei Zürich teilte beispielsweise an einem schönen Samstagnachmittag Anfang April 2017 24 Bussen aus wegen vermeidbarem Lärm gegen Fahrzeughalter, die ihre PS-starken Wagen im Stadtzentrum der Öffentlichkeit präsentierten und dabei lautstark immer wieder die gleiche Route fuhren. Die Fahrzeughalter zielten auf die Aufmerksamkeit so genannter «Carspotter» ab, also Autoliebhaber, welche die Fahrzeuge fotografieren und die Bilder danach in sozialen Medien veröffentlichen.
Verzeigungen wegen Verursachens von vermeidbarem Lärm sind in einem Strafverfahren jedoch schwierig durchzusetzen, da seitens der Anklage der Tatbestand ohne verbleibende, unüberwindliche Zweifel bewiesen werden und deshalb oftmals der ein Freispruch «in dubio pro reo» erfolgen muss.


Zuständigkeit

Für Lärm ausgehend von im Verkehr rollenden Personenwagen und damit die Einhaltung der entsprechenden Emissionsgrenzwerte (Art. 8 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 177 Abs. 1 und Anhang 6 Ziff. 11 & 37 VTS i.V.m. EU-Verordnung Nr. 540/2014 sowie UNECE-Regelement Nr. 51 oder 59) ist die jeweilige kantonale Fachstelle (Strassenverkehrsämter: Art. 13 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 29 Abs. 1 VTS i.V.m. Art. 71 ff. VZV) und in grossen Städten die entsprechende städtische Amtsstelle zuständig.

Strassenverkehrsämter der Schweiz

Lärmschutzfachstellen


Für Modifikationen und die Zulassung serienmässig hergestellter Motorfahrzeuge (Typengenehmigung) ist die Abteilung Fahrzeugtypisierung des Bundesamts für Strassen ASTRA zuständig (Art. 12 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 2 VTS i.V.m. Art. 5 TGV).

Bundesamt für Strassen (ASTRA): Homologation von Fahrzeugen (Zulassung)


Für akute Lärmbelästigung durch verfehltes Fahrverhalten ist die Polizei zuständig (Tel. 117).


Rechtsprechung

Gesetzliche Grundlagen
Bundes- und Verwaltungsgerichtsentscheide zu Strassenlärm

In der Rubrik «Recht & Gesetz» ist eine Sammlung mit Bundes- und Verwaltungsgerichtsentscheiden zu verschiedenen Lärmarten zu finden. Die Liste wird laufend aktualisiert.

Strassenlärm


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