Lärmsorgen

Jugendschreck

Lärm mit Lärm bekämpfen

Ähnlich wie der Marderschreck basiert der Jugendschreck auf der Idee, mit sehr lauten, aber sehr hohen Tönen gezielt auf eine spezielle Spezies von Störenfrieden einzuwirken.
 

Des einen Freud', des andern Leid. Jüngere verschaffen sich Gehör, Ältere schaffen sich einen Schreck an.

Der Jugendschreck wird an Orten installiert, an dem die die akustischen Nebenwirkungen des Aufenthaltes junger Menschen keinen Anklang finden. Anstatt mit den Quälgeistern zu diskutieren oder wenn das leider nichts fruchtet, überlässt man einem kleinen, unscheinbaren Gerät die unangenehme Aufgabe, für „Ruhe“ zu Sorgen.

Situation

Kommen Menschen zusammen, wird es manchmal laut. Und manchmal bleibt nach einem Abend im Freien auch die ein oder andere Flasche, Dose und Chipstüte liegen. Es passiert auch, dass junge Männer in der Gruppe einen plötzlichen Geltungsdrang verspüren und ihre Kräfte am nächstbesten kaputtbaren Gegenstand beweisen wollen.
Für solche Treffen eignen sich einige Orte besser als andere, und manche entwickeln sich zu regelrechten "Hot Spots", mit entsprechend erhöhtem Ausmass an Nebenwirkungen. Wenn diese zum Problem für Nutzer oder Besitzer des Grundstücks, Anlagen und Einrichtungen, Anwohner oder Passanten wird, braucht und gibt es verschiedene Lösungsansätze.
Der Jugendschreck ist zwar wirkungsvoll und unauffällig, aber auch fragwürdig und umstritten.

Das Gerät

Der Jugendschreck Mosquito generiert einen modulierenden Ton zwischen 16 und 18 KHz mit einem Pegel von etwa 94 dB im Abstand von 1 Meter. So hohe Töne werden von Menschen unter 30 Jahren deutlich wahrgenommen und als äussert unangenehm empfunden, das Gehör älterer Leute hingegen hat diese Fähigkeit verloren.
Der Schallpegel von 94 dB entspricht etwa dem Lärm eines Presslufthammers in 20 Metern Entfernung. Grundsätzlich nimmt der Schallpegel mit einer Verdopplung des Abstands um etwa 6 dB ab, was weniger als einer empfundenen Halbierung entspricht.

Die Grenzen der Wahrnehmung mit dem Mosquito instrumentalisieren. Das bessere Hörvermögen der Jungen spielt ihnen einen Streich, den Alten hingegen in die Hände.


 

 

Rechtliche Situation I: Anlage gemäss Lärmschutzverordnung

Bei den vom Gerät ausgesendeten Schallemissionen handelt es sich nicht um Ultraschall (nicht wahrnehmbare Frequenzen über 20 KHz), sondern um Hörschall. Damit unterliegen Installation und Betrieb den Anforderungen der Lärmschutzverordnung (LSV). Die LSV soll die Bevölkerung vor schädlichem und lästigem Lärm schützen, der beim Betrieb neuer und bestehender Anlagen nach Umweltschutzgesetz (USG) Art. 7 erzeugt wird (Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a LSV).
Die Lärmimmissionen neuer Anlagen dürfen die Planungswerte grundsätzlich nicht überschreiten und nur geringfügige Immissionen verursachen. Wesentlich geänderte Anlagen müssen die Immissionsgrenzwerte respektieren und dürfen zu keinen erheblichen Lärmimmissionen führen.
Der Bundesrat hat in Anhang 6 der LSV Belastungsgrenzwerte für Industrie- und Gewerbelärm festgesetzt. Diese Grenzwerte sind jedoch auf typischen Industrie- und Gewerbelärm zugeschnitten und lassen sich nicht ohne weiteres auf Lärm von Geräten der vorliegenden Art übertragen. Fehlen Belastungsgrenzwerte, so ist im Einzelfall zu beurteilen, ob eine unzumutbare Störung vorliegt. Dabei sind der Charakter des Lärms, Zeitpunkt und Häufigkeit seines Auftretens sowie die Lärmempfindlichkeit bzw. Lärmvorbelastung der Zone, in der die Immissionen auftreten, zu berücksichtigen.
Das Umweltschutzgesetz ordnet zum Zweck der Vorsorge an, dass Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden können, frühzeitig zu begrenzen sind (Art. 1 Abs. 2 USG). Dabei sind zunächst unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung die Emissionen an der Quelle vorsorglich so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG). Steht fest oder ist zu erwarten, dass trotz vorsorglicher Emissionsbegrenzungen die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden, sind die Emissionsbegrenzungen zu verschärfen (Art. 11 Abs. 3 USG). Ob die Voraussetzungen einer verschärften Emissionsbegrenzung gegeben sind, hat die Behörde anhand der Belastungsgrenzwerte (Immissionsgrenzwerte bzw. Planungswerte Art. 13, 15, 23 und 25 USG – soweit vorhanden) zu beurteilen.

Rechtliche Situation II: Einwirkungen auf die Nachbarschaft

Daneben ist gemäss Art. 684 Zivilgesetzbuch (ZGB) jedermann verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums (...) sich aller übermässiger Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Rauch oder Russ, lästige Dünste, Lärm oder Erschütterung.

Rechtliche Situation III: Verletzung von Grundrechten

Gemäss Ansicht des Bundesrates ist nicht auszuschliessen, dass der Betrieb von Geräten dieser Art verfassungsmässig garantierte Grundrechte tangiert.
Namentlich berührt sein können das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV), die persönliche Freiheit - insbesondere unter dem Aspekt der körperlichen Integrität (Art. 10 Abs. 2 BV) -, der Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit (Art. 11 BV) sowie die Versammlungs- und die Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 und 11 EMRK; Art. 16 und 22 BV).
Ein generelles Verbot von Mosquito-Geräten würde aber gemäss Bundesrat einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und in die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) bedeuten, die ebenfalls zu den Grundrechten gehören.
Um verfassungsmässige Rechte in einem Gesetz einzuschränken, bedürfe es stets eines öffentlichen Interesses. Ausserdem müsse der Eingriff verhältnismässig sein. Diese zweite Voraussetzung erachtet der Bundesrat im Fall der Mosquito-Geräte indes als nicht erfüllt, weshalb er zum heutigen Zeitpunkt darauf verzichtet, ein generelles Verbot vorzuschlagen.
Bei der Prüfung allfälliger Gesuche oder bei Reklamationen können die Behörden den Erfordernissen der Lärmbekämpfung nach USG und LSV, insbesondere dem Vorsorgeprinzip, gebührend Rechnung tragen und berücksichtigen, ob und wieweit der Einsatz solcher Geräte aus jugendpolitischer Sicht adäquat ist.

Risiken und Nebenwirkungen

Im Jahr 2007 hat die SUVA eine Untersuchung zu dem Gerät „Mosquito Mk II“ durchgeführt. Dabei wurden bei Montage des Systems nach Herstellerangaben (3 m über Boden, horizontale Abstrahlung) für eine am Boden stehenden Person (Ohrhöhe 1.65 m) maximale Schalldruckpegel Leq von 86 dB bei 0.5 m Horizontaldistanz zum Gerät gemessen.
In dieser maximalen vorgesehenen Exposition kann die Gefahr eines bleibenden Hörverlustes für eine Person, die dem Schallsignal des Gerätes während maximal 30 Minuten ausgesetzt ist, praktisch ausgeschlossen werden. Der Folgeschaden eines bleibenden Ohrgeräusches (Tinnitus) kann hingegen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Bei unsachgemässer Montage hingegen kann schon eine Exposition von wenigen Sekunden einen bleibenden Hörverlust und Tinnitus bedeuten.

Beurteilungshilfe Alltagslärm (BAFU)

Die Vollzugshilfe des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) für den Umgang mit Alltagslärm enthält Beispiele für verschiedene Lärmquellen, darunter auch Katzen- und Marderschreckgeräte. Auch wenn Geräte dieser Art für einen anderen Einsatzzweck gedacht sind, ist die Störwirkung vergleichbar.
Der Katzen- und Marderschreck in Zonen mit der höheren Empfindlichkeitsstufe ES II wird beurteilt als „Erheblich störend (zwischen Immissionsgrenzwert und Alarmwert) – Massnahmen sind umzusetzen“. Für Empfänger in der weniger empfindlichen ES III werden die Immissionen eingestuft als „störend (zwischen Planungswert und Immissionsgrenzwert) – Massnahmen sind zu prüfen oder ggf. Erleichterung zu gewähren“.
Emissionsmindernde Massnahmen bei Alarmgeräten laufen natürlich dem Zweck der Geräte entgegen.

Umgang mit dem Jugendschreck

Aufgrund nicht praktikabler gesetzlicher Grenzwerte hat die Anlage grundsätzlich ein Immissionsniveau einzuhalten, welches nach sorgfältiger Beurteilung höchstens geringfügige Lärmimmissionen an relevanten Beurteilungsstandorten verursacht.
Bei tiefem Umgebungsgeräusch können die Mosquito-Töne auch über grössere Distanzen hörbar und damit lästig sein. Ein Geräusch, welches 10 dB über dem Umgebungsgeräuschpegel liegt, was subjektiv eine Verdoppelung der Lautstärke bedeutet, kann zu Aufwachreaktionen führen.

Zielführende Massnahmen:

  • Fachgerechte Montage des Geräts mindestens 3 m über Boden
  • Einhaltung des maximalen Schalldruckpegels Leq von 86 dB bei 0.5 m Horizontaldistanz zum Gerät und 1.65 m Höhe über Boden (Messung)
  • Deutlich sichtbare Kennzeichnung der akuten Gefährdung (Hörschaden) bei Unterschreitung des Minimalabstandes mittels Warnschild oder ähnlichem
  • Einschränkung der Betriebszeiten auf z. B. Montag bis Sonntag 22:00 bis 04:00 Uhr
  • Keine durch das Gerät verursachten Schallimmissionen mit einem Pegel von mehr als 10 dB über dem Umgebungsgeräuschpegel auf öffentlichem Grund.
  • Nachbarschaftliche Einverständniserklärungen zu allfälligen Schallimmissionen über dem Umgebungspegel auf den angrenzenden Parzellen

Zuständigkeit

Für diese Kategorie von Alltagslärm ohne Grenzwerte ist die betreffende Gemeindeverwaltung zuständig, in grösseren Gemeinden und Städten in der Regel deren Baubehörde (Lärm von Bauten und Anlagen) oder Sicherheitsbehörde und Polizei (Lärm von menschlichen Tätigkeiten).

Liste Gemeinden Schweiz
(Wikipedia; Link zur Gemeindeverwaltung in Servicespalte [rechts] auf Detailseite Gemeinde)

Die meisten Gemeinden halten die Spielregeln zum Lärm im Rahmen einer Gemeinde- oder Polizeiverordnung fest.

Beispiel Polizeiverordnung (Auszug Lärmschutz)  


Rechtsprechung

Bundes- und Verwaltungsgerichtsentscheide zum Lärm des Mosquito Jugendschrecks

In der Rubrik «Recht & Gesetz» ist eine Sammlung mit Bundes- und Verwaltungsgerichtsentscheiden zu verschiedenen Lärmarten zu finden. Die Liste wird laufend aktualisiert.
Zurzeit befinden sich noch keine Gerichtsurteile zu diesem Thema in der Sammlung.

Alltagslärm


Vollzugsordner des Cercle Bruit Schweiz

Die Vereinigung der kantonalen Lärmschutzfachleute (Cercle Bruit) stellt Vollzugshilfen und weitere Unterlagen zu lärmspezifischen Themen zur Verfügung. Die Dokumente stammen von Bund, Kantonen, Fachstellen und Verbänden.

Vollzugsordner: 8 Alltagslärm


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