Lärmsorgen

Rechtsgrundlagen

1. Das öffentliche Recht

Am Anfang war - die Bundesverfassung.

Der Ausgangspunkt für den Umweltschutz befindet sich im Art. 74 der schweizerischen Bundesverfassung. Dieser Artikel verpflichtet den Bund, Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt gegen schädliche oder lästige Einwirkungen zu erlassen (Art. 74 BV). Der Bundesgesetzgeber erfüllte seine Aufgabe, als er das Umweltschutzgesetz erliess, welches die wichtigsten umweltrechtliche Probleme regelt (USG). Da ein Bundesgesetz oft sehr allgemein formuliert ist, wurden gestützt auf das USG mehrere Verordnungen erlassen, welche den Vollzug des USG erleichterten. Es handelt sich dabei z.B. um die Luftreinhalte-Verordnung (LRV), die Verordnung zum Bundesgesetz über den Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall (V-NISSG) und die Lärmschutz-Verordnung (LSV).

Aber nicht nur der Bund hat die Kompetenz, Vorschriften über den Lärmschutz zu erlassen. Ausserhalb des Geltungsbereichs des USG und der LSV können die Kantone oder Gemeinden eigene Vorschriften aufstellen: Beispielsweise die Stadt Zürich mit der Allgemeinen Polizeiverordnung (APV ZH, pdf) oder die Stadt Bern mit einem Reglement zur Bekämpfung des Betriebs- und Wohnlärms (RBBV BE, pdf). In diesen Verordnungen werden verschiedene Lärmarten genau umschrieben, deren Zulässigkeit zeitlich eingegrenzt und festgehalten, sodass Widerhandlungen mit Busse bestraft werden können.

Rechtliche Grundlagen des Lärmschutzes

Umweltschutzgesetz (USG)

Das Umweltschutzgesetz bildet zusammen mit der Lärmschutzverordnung die Rechtsgrundlage für den Lärmschutz in der Schweiz.
Für den Alltagslärm sind Art. 13 und Art. 15 relevant.

Art. 13 USG
Art. 15 USG

Lärmschutzverordnung (LSV)

Für Aussenlärmemissionen ortsfester Anlagen ist Art. 40 relevant.

Art. 40 LSV

Für Aussenlärmemissionen beweglicher Geräte und Maschinen sind Art. 4 und Art. 5 relevant.

Art. 4 LSV
Art. 5 LSV

Maschinenlärmverordnung (MaLV)

Die Verordnung über die Lärmemissionen von Geräten und Maschinen, die im Freien verwendet werden, legt Grenzwerte, Kennzeichnung und Kontrolle fest im Zusammenhang mit deren Inverkehrsetzung.

BAFU: Kurzinformation zur MaLV
MaLV

Verordnung zum Bundesgesetz über den Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall (V-NISSG)

Die Verordnung regelt den Schutz des Publikums von Veranstaltungen vor gesundheitsgefährdenden Schalleinwirkungen.

V-NISSG

Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS)

Die Verordnung setzt unter anderem die gültigen Lärmemissionsgrenzwerte für Fahrzeuge fest. Der Anhang 6 befasst sich mit der Geräuschmessung im Detail.

VTS
VTS Anhang 6: Geräuschmessung

Verordnung über die Verkehrsregeln der Luftfahrzeuge (VVR)

Unnötige Lärmemissionen durch Luftfahrzeuge werden in Art. 7 untersagt, die geltenden Vorschriften für Kunstflüge sind in Art. 8 zu finden.

Art. 7 VVR
Art. 8 VVR

Obligationenrecht (OR) - Pflichten des Mieters, Sorgfalt und Rücksichtnahme

Wer eine Wohnung mietet, muss gemäss Gesetz "auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen". Das bedeutet unter anderem, keinen übermässigen Lärm zu produzieren.

Art. 257f OR

Zivilgesetzbuch (ZGB) - Nachbarrecht

Das Zivilgesetzbuch verbietet mit Art. 684 schädliche und ungerechtfertigte Emissionen, die einen Nachbarn stören könnten.

Art. 684 ZGB

Wann müssen die Behörden einschreiten?

Ob ein Geräusch "Lärm" ist oder nicht, ist Ansichtssache. Damit die Behörden aber alle Betroffenen möglichst gleich behandeln können, muss Lärm objektiv definiert werden, nämlich so, dass die Störung durch konkret vorhandenen Lärm beurteilt werden kann. Deshalb wurden für mehrere Lärmarten mit grosser Verbreitung - insbesondere für Anlagen und Betrieben des Verkehrs und der Wirtschaft - Grenzwerte formuliert, deren Einhaltung ermittelt werden kann.

Die LSV hält Belastungsgrenzwerte fest, welche sich in Immissionsgrenzwerte, Planungsgrenzwerte und Alarmwerte unterteilen.

Die Immissionsgrenzwerte wurden so festgelegt, dass alle Immissionen unterhalb dieser Werte die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören.

Planungswerte wurden für die Planung neuer Bauzonen und für den Schutz vor neuen lärmigen ortsfesten Anlagen festgelegt. Die Planungswerte liegen unterhalb der Immissionsgrenzwerte.

Alarmwerte sind dazu da, die Sanierungsbedürftigkeit von Anlagen zu beurteilen. Alarmwerte liegen oberhalb der Immissionsgrenzwerte. 

Alle Werte sind nach der Art der Lärmquelle und für verschiedene Empfindlichkeitsstufen in den einzelnen Nutzungszonen jeweils für Tag und Nacht etwas anders ausgestaltet. Die Lärmbelastung wird jeweils in der Mitte des offenen Fensters von lärmempfindlichen Räumen (Wohnen, Schlafen, Büro, usw.) ermittelt und mit dem geltenden Belastungsgrenzwert verglichen.

 

Empfindlichkeitsstufe (ES)

Planungswert
(PW)
Lr in dB(A)

Immissionsgrenzwert (IGW)
Lr in dB(A)

Alarmwert
(AW)
Lr in dB(A)

Tag Nacht Tag Nacht Tag Nacht
I Erholung 50 40 55 45 65 60
II Wohnen 55 45 60 50 70 65
III Wohnen/Gewerbe 60 50 65 55 70 65
IV Industrie 65 55 70 60 75 70

 

"Alltagslärm"

Anderen Lärmarten mittels Grenzwerten beizukommen ist aus verschiedenen Gründen schwierig oder sinnlos. Sie werden unter dem Begriff "Alltagslärm" zusammengefasst. In der Regel sind es lärmige Tätigkeiten und lärmiges Verhalten von Einzelnen, ausserhalb von Betrieben oder Anlagen.
Hier kommt eine Beurteilung auf privatrechtlicher Grundlage zum Zug, Grenzwerte kommen allenfalls als Anhaltspunkte und als Vergleichsbasis zur Anwendung.

 

2. Das Privatrecht

Der laute Nachbar ist auch noch stur...

Muss der Staat von Gesetzes wegen nicht tätig werden und hat man aber trotzdem einen lärmenden Nachbar, stellt sich die Frage, wie damit umzugehen ist. Falls der Nachbar nicht mit sich reden lässt, ist manchmal der Gang an das Gericht unvermeidlich. Die Auseinandersetzung zwischen Nachbarn wird in den sachenrechtlichen Vorschriften des schweizerischen Zivilgesetzbuches geregelt.

In Art. 684 ZGB steht geschrieben, dass jedermann verpflichtet ist, bei der Ausübung seines Eigentums sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. Dies bedeutet, dass der Nachbar keinen übermässig lauten Lärm produzieren darf. Auch gemäss Obligationenrecht (OR) müssen Mieter gegenüber ihren Nachbarn Rücksicht nehmen (Art. 257f).

Wer ist Nachbar?

Der Nachbar muss nicht zwingend unmittelbar das angrenzende Nachbargrundstück oder die Mietwohnung nebenan sein. Es genügt, wenn man durch den Lärm irgendwie räumlich betroffen ist. Dann ist man bereits „Nachbar“. 

Wann ist Lärm übermässig und somit unzulässig?

Das Gericht nimmt zur Beantwortung dieser Frage eine Interessenabwägung vor. Dabei darf es nicht einfach auf das persönliche Empfinden der Parteien abstellen. Vielmehr muss es herausfinden, wie sich ein normaler Durchschnittsmensch, der sich in der gleichen Situation befindet, den Lärm empfinden würde. Bei der Interessenabwägung spielen viele Faktoren eine Rolle: Lage und Beschaffenheit der Grundstücke, die jeweiligen Traditionen und Sitten sowie die individuell konkrete Interessenlage. 

Übersicht und Grundlagen Europa

EU

Das Europäische Parlament hat am 18. Juli 2002 eine Richtlinie (2002/49/EG) zur Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm erlassen, welche u. a. verschiedene Lärmarten festsetzt und die Anzahl Lärmbetroffener berechnet. Die EG-Richtlinie erlaubt sowohl Berechnungen als auch Messungen. Es wurde das Ziel gesetzt, Massnahmen zur Bekämpfung des Lärms zu entwickeln. Die Massnahmen werden alle fünf Jahre überprüft und überarbeitet. 

Als Teil der Gemeinschaftspolitik soll ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau gewährleistet werden. Der Lärmschutz entspricht einem Aspekt dieses übergeordneten Ziels. Als Massnahmen sind vorgesehen:

  • Die Belastung durch Umgebungslärm wird anhand von Lärmkarten nach gemeinsamen Bewertungsmethoden ermittelt.
  • Es wird sichergestellt, dass die Öffentlichkeit über Umgebungslärm und seine Auswirkungen informiert wird.
  • Die Mitgliedstaaten erstellen Aktionspläne, die auf Basis von Lärmkarten erarbeitet wurden. Ziel ist es, den Umgebungslärm soweit erforderlich zu verhindern, zu mindern oder eine zufriedenstellende Umweltqualität zu erhalten.


Deutschland

In Deutschland wird die Lärmbekämpfung im Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Bundes-Immissionsschutzgesetz geregelt. Weitere Informationen befinden sich auf der Internetseite des Umweltbundesamtes.


Österreich

Lärmbekämpfung ist in Österreich eine sogenannte Querschnittsmaterie und wird jeweils im Zusammenhang mit anderen Verwaltungsangelegenheiten wahrgenommen, es gibt kein allgemeines Gesetz zum Schutz vor Lärm. Aus diesem Grund finden sich im österreichischen Recht zahlreiche Bestimmungen über Lärmemissionen und -immissionen. Je nach Rechtsmaterie liegt auch die Zuständigkeit bei unterschiedlichen Behörden. Weitere Informationen befinden sich auf der Internetseite des Umweltbundesamtes.


Frankreich

In Frankreich ist das Ministerium für Umwelt, Energie und Meer (Ministère de l'Environnement, de l'Énergie et de la Mer) für die Prävention von Lärmrisiken zuständig. Weitere Informationen befinden sich auf der Internetseite des Ministère de l'Environnement, de l'Énergie et de la Mer oder auf der Internetseite des Centre d'information et de documentation sur le bruit.


Italien

In Italien ist das Ministerium für Umwelt und Schutz von Land und Meer (Ministero dell'Ambiente e della Tutela del Territorio e del Mare) für Umweltthemen zuständig. Dem Ministerium ist das Istituto Superiore per la Protezione e la Ricera Ambientale (ISPRA) unterstellt. Das ISPRA beantwortet in einem FAQ die wichtigsten Fragen zum Thema Lärm. Weitere Informationen befinden sich auf der Internetseite des Ministero dell'Ambiente e della Tutela del Territorio e del Mare.